Corona Tagebuch #9
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Experimentieren Sie wie MacGyver!
Inmitten der düsteren Nachrichtenlage habe ich heute einen Artikel gefunden, der mich hoffnungsvoll stimmt: In Italien konnten handelsübliche Taucherbrillen mit nur einem einzigen Bauteil aus dem 3D-Drucker zu funktionstüchtigen Beatmungsmasken umfunktioniert werden. Durch diese Maßnahme kann die Zahl der Beatmungsplätze kurzfristig erhöht werden, ein Hoffnungsschimmer für Patient*innen in kritischen Zuständen.
Gleichzeitig zeigt der Fall aber auch, was möglich ist, wenn alle üblichen Denkmuster und Scheren im Kopf über Bord geworfen werden und man statt einem “Man kann doch nicht” mit einem “Wir probieren mal” versucht die Herausforderungen zu lösen.
In Italien haben Menschen mit einer guten Idee nicht lange gefackelt, sondern einfach ausprobiert. Das mussten sie auch, denn der Druck ist dort nochmal ein deutliches Stück höher, als aktuell hier in Deutschland. Das italienische Gesundheitssystem steht buchstäblich mit dem Rücken an der Wand und so wird versucht, mit allen vorhandenen Mitteln, die Situation zu verbessern.
Die MacGyver-Momente im Window of Opportunity
Diesen Druck sofort handeln zu müssen, haben wir hierzulande auch, doch noch bleibt uns mehr Spielraum. Und dieses “Window of Opportunity” müssen wir nutzen! Wir müssen versuchen, weiterhin “vor der Lage” zu sein. Damit meine ich, dass wir experimentieren und nach Optionen suchen müssen, bevor wir sie sofort brauchen.
An dieser Stelle sind die Krisenstäbe der Träger gefragt, die ich schon oft in diesem Covid19-Journal angesprochen habe. Sie sind die Punkte im System, an denen die Fäden zusammenlaufen, die Überblick über die ihnen zugeordneten Einrichtungen haben. Hier sollten Menschen sitzen, die in der Lage sind, die Situation als Ganzes zu sehen, in Szenarien zu denken und optimalerweise drei Schritte voraus zu blicken. Die also frühzeitig erkennen, was zu bestimmten Punkten der weiteren Entwicklung notwendig werden könnte.
In Krisenszenarien, die nur einen Träger betreffen, reicht es in solchen Fällen gut zu planen und Ressourcen zu beschaffen und zu verteilen. Die aktuelle Lage ist aber anderes. Durch die weltweite Krise gibt es viele Ressourcen nicht mehr einfach so. Zudem ändern sich beispielsweise durch neue Verordnungen Lagen mit minimaler Vorlaufzeit. Es gibt also täglich neue Herausforderungen. Für deren Lösung muss quer gedacht und vor allem experimentiert werden. Und zwar mit dem, was gerade zur Verfügung steht. Sozusagen der MacGyver-Moment.
Kann eine Apotheke Desinfektionsmittel für uns mixen? Kann man Mundschutz nähen lassen? Wie können ohne zusätzliches Material “Videotelefonzellen” für den Kontakt der Bewohner*innen mit ihren Angehörigen bauen?
Hilfe aus IT- und Startup-Szene
Hier sind jetzt die Bestandslieferanten, aber auch Ideen aus der IT- und Startup-Szene gefragt und der Blick über den eigenen Tellerrand ist enorm nützlich. Das zeigt der Hackathon #WirvsVirus der Bundesregierung, bei dem sich am Wochenende fast 43.000 Teilnehmer*innen eingebracht und Experimente gestartet haben. Ebenso das Beispiel mit den Beatmungsmasken und die vielen Initiativen von Privatleuten und Unternehmen, die täglich hunderte Gesichtsmasken nähen. All das sind unkonventionelle Lösungen, aber es sind (Teil-) Lösungen und Experimente, die ernst genommen werden. Weil die Lage ernst ist! Vor der Krise hätte man den Vorstoß eine im Sportgeschäft erhältliche Taucherausrüstung im Krankenhaus zu nutzen sofort abgeschmettert. Weil die Idee weit hergeholt ist. Weil irgendeine Norm bestimmt nicht erfüllt wird. Vor allem aber, weil es die Challenge nicht gab. Doch genau diese Flexibilität ist jetzt der Schlüssel, um das “Window of Opportunity” zu nutzen, das wir in Deutschland haben – noch.