Dringend gesucht: Ein Mittel gegen die Isolation

Die aktuellen Kontaktverbote treffen uns alle. Und doch wirkt sie sich unterschiedlich auf unser Leben aus. Alle, die in den Home Office wechseln können, haben das schon längst getan und schaffen sich neue Arbeitsstrukturen. Es gibt erste sehr erfolgreiche (Homeschooling-) Initiativen, um Kinder zu Hause zu beschäftigen. Wir verabreden uns zu virtuellen After-Work-Treffen und Netzanbieter vermelden, dass Telefonate länger und häufiger werden. Diese Beispiele zeigen, dass wir in der Lage, sind mit den Herausforderungen umzugehen und spontane Lösungen für sie zu finden.

Doch es gibt auch Menschen, die das nicht können. Menschen, die in Behinderten- oder Altenheimen wohnen und deren Kontakt zur Außenwelt hauptsächlich aus Besuchen besteht. Sie treffen Besuchsverbote besonders hart, denn sie wirken sich aus wie eine echte Isolation von jedem menschlichen Kontakt. Abgesehen natürlich von den Pflegekräften, die täglich mit hohem Einsatz für die Bewohner*innen und sorgen. Doch, das wird sicher jeder nachvollziehen können, das ersetzt nicht den Kontakt zur Familie.

Wir entwickeln eine praktikable Lösung
Das Kontaktverbot ist sicher wichtig, um den besonderen Risiken eines Altenheims im Hinblick auf den Coronavirus aktuell zu begegnen. Aber sie sind auch eine brutale Härte, die sich spürbar auf den mentalen Zustand auswirkt. Wir werden täglich von unseren Kunden gefragt, wie sie diese Situation ihrer Bewohner*innen lindern können. Denn in den Altenheimen gibt es genug Personen, die vor Inkrafttreten der Besuchssperren eben keine Chance mehr hatten, von Angehörigen mit Smartphones und Tablets ausgestattet zu werden. Oder die mit der Bedienung überfordert sind. Unser Team hat deshalb in den letzten Tagen mit ganzer Kraft daran gearbeitet, eine Lösung zu finden.

Unsere Lösung ist ein virtueller Ort im Internet, der zum Treffpunkt für Angehörige und Bewohner*innen wird. Wie eine individuelle digitale Cafeteria, zu der Bewohner*innen und ihre Angehörigen von Außen Zugang haben und sich über Videotelefonie austauschen können.

Letzten Endes kann man auch Skype, Whatsapp oder Facetime nehmen, aber das gerade in der jetzigen Situation von den Pflegekräften organisieren und anleiten zu lassen, scheint eine zu große Hürde zu sein.

Auch der Zugang von Außen muss dann so einfach wie möglich gestaltet sein, um Probleme bei der Bedienung zu minimieren. Unser System ist deshalb auch ohne vorherigen Download einer App oder Installation auf dem Rechner einfach über den Browser erreichbar.

In den letzten drei Tagen haben wir das System auf eigenen Servern aufgebaut und heute bereits in den ersten Altenheimen mit dem Testbetrieb gestartet. In den nächsten Tagen erproben wir, ob es einfach genug zu bedienen (Usability) und wie die Zuverlässigkeit unter Last ist (Skalierbarkeit). Das ist das Herzstück des gesamten Systems. Womit wir dann die Einrichtungen ausstatten wollen, ist mindestens ein Endgerät, das für alle zugänglich ist.

Zukünftig vielleicht sogar in einer Art Telefonzelle? So wäre gewährleistet, dass man ungestört auch über private Dinge sprechen kann. Übrigens: Telefonzellen sind eine beliebte Methode, um auch in Großraumbüros ohne Störung telefonieren zu können. Die entsprechenden Anbieter solcher Ausstattung gibt es also schon längst. Nur hat bisher niemand daran gedacht, sie in einem Seniorenheim statt in einem Coworking-Space aufzustellen. Und vielleicht stellen wir gleich für Angehörige ohne passendes Endgerät auch noch eine Telefonzelle zur Not vor die Einrichtung.

Aber erstmal das machbare: Vorgestern habe ich noch davon gesprochen, dass wir wie MacGyver experimentieren müssen, hier ist gleich eine passende Gelegenheit dafür. Wir holen die Altenheime da ab, wo sie stehen und machen das, was an technischer Ausrüstung da ist, zu virtuellen Treffpunkten.

Nicht perfekt, aber eine ein wichtiger Schritt

Keine digitale Lösung der Welt kann den menschlichen Kontakt ersetzen. Ich bin aber davon überzeugt, dass breit nutzbare Videotelefonie schon ein großer Schritt ist, um die Isolation von so vielen Bewohner*innen in den Einrichtungen zu beenden – oder zumindest abzumildern. Die Gestik und Mimik des Gegenübers im Gespräch wahrzunehmen, kann der entscheidende Faktor sein, um die Belastung für die mentale Gesundheit Rahmen zu halten. Und dafür zu sorgen, die Folgen der räumlichen Trennung möglichst auf einem niedrigen Niveau gehalten werden.

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