“Experiment Vereinbarkeit”: Väter müssen jetzt Verantwortung übernehmen!

Gestern wurde bekannt gegeben, dass die Ausgangsbeschränkungen, die zur Verlangsamung der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus führen sollen, mindestens bis zum 3. Mai bestehen bleiben. Schrittweise können zwar erste Geschäfte und Schulen langsam in Betrieb genommen werden, das ist aber noch lange kein Rückkehr zur Normalität. Ganz besonders dann nicht, wenn man – wie im Falle meiner Familie – kleine Kinder hat, die weiterhin zuhause betreut werden müssen, weil Kitas nach wie vor geschlossen bleiben.

Nun bin ich Geschäftsführer eines Unternehmens, das gerade durch die aktuelle Krise in erhöhter Alarmbereitschaft ist und ich mitunter stärker gefragt bin als sonst. Aber auch meine Frau ist berufstätig! In den letzten Wochen hat sie die Betreuung zu Hause übernommen und ihrerseits die Doppelbelastung von Familie und Beruf auf sich genommen. Doch für sie als freiberufliche Moderatorin, Coach und Trainerin kann das kein Dauerzustand sein. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, dass ich auch einen Teil der Zeiten, die unsere Kinder normalerweise in der Kita verbringen würden, übernehme und meine Arbeitszeiten dafür verändere. Eine deutliche Reduzierung meiner Arbeitszeit ist aktuell nicht möglich. Dennoch schaffe ich tagsüber Freiräume für meine Frau und erledige meine Arbeit zu einem anderen Zeitpunkt; früh morgens, spät abends oder am Wochenende.

Ich will keinen Applaus!

Eine Sache möchte ich direkt klarstellen: Es ist keine Heldentat, dass ich für wenige Stunden am Tag die Betreuung unserer Kinder übernehme und ich will dafür auch keinen Applaus hören. Die Entscheidung ist eine einfache Notwendigkeit, um mit der momentanen Krise bestmöglich umzugehen – ohne dabei in alte, stereotypische Muster zu verfallen, die Mütter ohne Diskussion in die Verantwortung für die Kinderbetreuung nehmen. Dass ich dafür jetzt als Vater etwas aus der gewohnten Komfortzone heraustreten muss, ist nicht hochtrabend. Aber an der Zeit!

Ich bin ganz offen: Ich weiß ehrlich (noch) nicht, wie ich das schaffen soll! Heute hatte ich zum Beispiel ein wichtiges Telefonat, bei dem es um ein großes Softwareprojekt ging. Stattfinden konnte es nur deshalb, weil ich es mit einem Spaziergang verbunden habe. Während des Gesprächs habe ich einen Kinderwagen geschoben und unsere zweijährige Tochter hat nebenher “Hänschen klein” gesungen. Ungefähr 10 Minuten lang… Die Situation war für mich absolut ungewohnt und fühlte sich noch nicht wirklich gut an. Meine Gesprächspartner haben aber – zum Glück – verständnisvoll und tolerant reagiert. Ein anderer Kollege, der wiederum die anteilige Kinderbetreuung in meinem Kalender entdeckt hat, hat von sich aus angeboten, einen Termin, der schon lange vereinbart war, zu verschieben. Erwartet hätte ich diese Rücksichtnahme und Unterstützung nicht. Es ist aber tatsächlich sehr beruhigend, sie zu erleben.

Das Experiment hat begonnen

Für mich hat diese Woche also das “Experiment Vereinbarkeit” begonnen. Ich weiß natürlich, dass diese Doppelbelastung für sehr viele (mit großer Mehrheit Mütter) kein Experiment ist, sondern der Alltag. Deshalb kann ich der Corona-Krise auch etwas Gutes abgewinnen: Unter normalen Umständen wäre ich vermutlich nicht so kurzfristig ins kalte Wasser gesprungen. Jetzt aber tue ich mich das gerne und bin gespannt, wie der Einfluss auf meine Arbeit sein wird, wie lange mein Nervenkostüm mitspielt und vor allem, welche Learnings ich daraus ziehen kann. Einerseits für mich als Vater und Ehemann, andererseits auch als Geschäftsführer.



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