Urlaub und Wochenende: Auszeit trotz Krise

Unser Gehirn funktioniert im Kern immer noch wie das unserer Vorfahren: Wurden Urmenschen von einem Säbelzahntiger angegriffen, dann kam es zu einer kurzfristigen körperlichen Reaktion – unter anderem der Ausschüttung von Adrenalin – die dazu führte, dass plötzlich besondere Kräfte frei wurden. Dank derer konnte der Urmensch der Gefahr hoffentlich entkommen. Die Corona-Krise ist nun sicherlich nicht mit einem Säbelzahntiger zu vergleichen, doch unser Körper reagiert auch hier mit einer besonderen Alarmbereitschaft. Unter Stress schütten wir immer noch mehr Adrenalin aus, das uns unmittelbar wachsamer und vielleicht auch schneller macht. Doch: Nachgewiesenermaßen kann dieser Pegel nicht für längere Zeit gehalten werden. Falls doch, dann nicht ohne Nebenwirkungen. Die Fehleranfälligkeit steigt und stressinduzierte Krankheiten häufen sich.

Was ich damit sagen möchte: Seit dem Ausbrechen der akuten Corona-Krise arbeiten viele Unternehmen, besonders im Gesundheitswesen, unter verschärften Bedingungen. Jeder Tag ist der Versuch, dem Säbelzahntiger mit einem Sprint zu entkommen. Aber diese Krise ist kein Sprint. Sie ist ein Dauerlauf.

Auch in der Krise braucht es Normalität

Inzwischen befinden wir uns seit mehr als zwei Wochen im Krisenmodus. Das ist auch gut so, denn wir haben unheimlich viel geschafft. Krisenstäbe wurden gebildet und haben die Arbeit aufgenommen, Büros wurden in Privatwohnungen verlegt, ad-hoc wurden neue Arbeitsstrukturen für uns und unsere Kunden geschaffen. Da war es gut, dass jede*r noch eine Schippe draufgelegt hat. Doch wir brauchen auch so etwas wie Normalität in der Krise. Unter veränderten Bedingungen und möglicherweise immer noch mit erhöhter Wachsamkeit. Aber im Sprinttempo “durchziehen” ist keine Option für mehrere Wochen.

Mit Normalität meine ich zum Beispiel, dass wir Ostern nicht vergessen. Viele Kolleg*innen bei uns haben beim Bekanntwerden der Krise ihre Urlaube abgesagt. “Chef, brauchst Du mich?” Natürlich habe ich erstmal “ja” gesagt und war dankbar. Aber jetzt gucke ich in den Videokonferenzen Freitag nachmittags in sehr erschöpfte Gesichter und denke: Das Tempo halten wir vielleicht bis Ostern durch, aber dann ist eine Pause mehr als fällig. Gerade jetzt sind wir Führungskräfte gefragt: Auch das Erstellen von Plänen zum aktiven Entlasten von besonders belasteten Team-Mitgliedern gehört zur Führung in der Krise. Pochen Sie darauf, dass Ihre Mitarbeiter*innen über die Feiertage auch tatsächlich nicht arbeiten und Urlaube, die schon länger geplant waren, nicht kategorisch abgesagt werden. Ruhepausen sind unheimlich wichtig, wie zum Beispiel auch Björn Waide festgestellt hat. Natürlich hört die Krise nicht auf zu Sein, nur weil wir Ostern feiern möchten und uns Ruhe gut tut. Deshalb müssen wir für diese Zeit auch Vorkehrungen treffen, damit Abläufe weitergehen können. Bestimmte Dinge gilt es also vorzubereiten, andere zu priorisieren und zu verschieben. Das geht, weil sich inzwischen die Prozesse eingespielt haben und für viele Fragen Lösungen gefunden wurden. Und für Angelegenheiten, die tatsächlich eine ständige Betreuung brauchen, müssen zum Beispiel Bereitschaftsdienste eingerichtet werden. Im Idealfall so, dass die Last auf mehrere Schultern verteilt ist. Konkret ist das in unserem Fall ein Plan, der vorsieht, dass die Mitglieder des Krisenstabes, die regulär keinen Urlaub hätten, versetzt je zwei Tage Urlaub vor oder nach Ostern nehmen, damit alle sechs freie Tage am Stück haben.

Nicht nur bei Urlauben oder Feiertagen ist es wichtig, die Mitarbeiter*innen zu ermutigen, sich Zeit zum Aufladen der Akkus zu gönnen. Auch Wochenenden gilt es zu schützen. Gerade jetzt, wo durch das dezentrale Arbeiten die räumliche Trennung zwischen Arbeitsplatz und Freizeit verschwindet und man dazu verleitet wird, “noch kurz” etwas fertig zu machen. Ich habe deshalb in den letzten zwei Wochen Freitags kurz nach 17 Uhr, dem Ende der normalen Servicezeit für unsere Kunden, eine Verabschiedung ins Wochenende an alle Mitarbeiter*innen geschickt. Natürlich nicht, ohne mich für ihren Einsatz in der vergangenen Woche zu bedanken und unsere Erfolge in einer kleinen Videobotschaft zu feiern.

Practice what you preach

Auch für mich gelten natürlich diese Regeln. Und gerade in dieser Ruhe kommen einem plötzlich gute Ideen für die nächsten Schritte. Das ist ja auch in Ordnung. Zumindest dann, wenn man dem Drang wiedersteht, jede Idee gleich wild im Firmenchat an die passenden Mitarbeiter*innen zu schicken und seine Freitagspredigt damit selbst zu untergraben. Practice what you preach ist aber für mich oberste Leadership-Pflicht. Ideen und Gedanken halte ich deswegen in einem Notizbuch oder einer App fest. Das hilft mir, den Kopf frei zu bekommen. Und manchmal schreibe ich sie auch direkt in eine gute alte E-Mail. Denn mein Outlook hat eine “Übermittlung verzögern”-Funktion, die ich vorher noch nie genutzt habe. Jetzt verlassen die E-Mails erst am Montagmorgen mein Postfach. So kann ich als Führungskraft dafür sorgen, dass meine Mitarbeiter*innen ausreichend Erholungsphasen haben und ihnen am Wochenende den Säbelzahntiger Corona-Krise vom Hals halten.

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